Neues Vertragsgesetz (Versicherungen) für die Lebensversicherung

Neues Vertragsgesetz (Versicherungen) für die Lebensversicherung

Das alte Versicherungsvertragsgesetz für die Lebensversicherung geht noch auf das Jahr 1908 zurück, wobei im alten Versicherungsvertragsrecht die Rechte und die Pflichten zwischen Versicherern und Versicherten doch sehr ungleich zu Lasten der Versicherten verteilt waren. Somit wird das alte Gesetz den Bedürfnissen eines modernen Verbraucherschutzes nicht mehr vollständig gerecht. Um das Versicherungsvertragsrecht für die Lebensversicherung mit der tatsächlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte wieder in Einklang zu bringen, reichten punktuelle Änderungen oder Ergänzungen nicht mehr aus. Vielmehr wurde eine Gesamtreform erforderlich, denn die Lebensversicherung hat für die private Altersvorsorge eine gehobene Bedeutung. Das neue Versicherungsvertragsgesetz wird das Recht der Lebensversicherung modernisieren wobei die Transparenz deutlich verbessert werden wird. In Zukunft werden Versicherte durch das neue Versicherungsvertragsgesetz deutlich besser gestellt, wobei die Neuregelungen insbesondere die Punkte Verbraucherschutz und Interessenausgleich stärken sowie das Recht der Lebensversicherung modernisieren.

Zukünftig ist die ausführliche Beratung auf die jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse der Versicherungsnehmer abzustimmen und auch während des laufenden Vertragsverhältnisses müssen die Versicherer weiterhin beraten und informieren. Der Lebensversicherer hat die Einzelheiten der ausführlichen Beratungsgespräche zu dokumentieren, so dass die Dokumentation im Falle eines Streits der Beweisführung dienen kann. Wie bei anderen Versicherungen auch, muss der Versicherer seinen Versicherten vor dem Vertragsabschluss über die Vertragsbestimmungen und über die allgemeinen Versicherungsbedingungen informieren. Die bisherige Praxis, dem Versicherungsnehmer erst mit dem Versicherungsschein sämtliche Vertragsunterlagen zuzuschicken, wird dem Interesse des Verbrauchers nicht gerecht, möglichst frühzeitig und umfassend über den Vertragsinhalt informiert zu werden. Jetzt wird durch das neue Versicherungsvertragsgesetz die Versicherungsnehmer auch bei der Lebensversicherung frühzeitig und umfassend über die Vertragsinhalte aufgeklärt. Verletzen Lebensversicherer oder deren Vermittler die Beratung oder die Dokumentationspflichten, sind sie künftig schadensersatzpflichtig.

Eine weitere Verbesserung der Transparenz für die Verbraucher wird sich daraus ergeben, dass durch das neue Versicherungsvertragsgesetz alle Versicherer verpflichtet werden, die jeweiligen Abschluss und Vertriebskosten der Lebensversicherung zu beziffern und offen zu legen. Insbesondere diese verbesserte Information des Verbrauchers wird, wie die Verbesserung der Transparenz überhaupt, auch den Wettbewerb unter den Versicherungsunternehmen fördern. Auch die Abschlusskosten der Lebensversicherung werden künftig auf die ersten fünf Vertragsjahre verteilt, weil die gezahlten Prämien bisher in den ersten zwei Vertragsjahren mit den Abschlusskosten des Vertrages verrechnet wurden, erhielt der Versicherungsnehmer in der Regel keinen oder nur einen sehr geringen Rückkaufswert, wenn der Vertrag frühzeitig beendet wurde. Künftig fällt der Rückkaufswert der Versicherung in den ersten Jahren dadurch deutlich höher aus. Denn die Versicherungsreform berücksichtigt auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur neuen Überschussbeteiligung sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs, welcher sich in einer Entscheidung zur Berechnung von Mindestrückkaufswerten geäußert hat.

Heutzutage ist der Rückkaufswert der Lebensversicherung an dem Deckungskapital der Versicherung zu berechnen. Dies gilt auch, wenn der Lebensversicherungsvertrag vorzeitig beendet wird. Das Deckungskapital ist das Kapital, das vorhanden sein muss, um die Ansprüche des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung lässt sich so im Streitfall klar bestimmen. Für die Berechnung des Rückkaufswertes wurde bisher auf den unklaren und deswegen nicht transparenten Begriff des Zeitwerts der Versicherung abgestellt. Der nach dem Deckungskapital berechnete Rückkaufswert wird im Regelfall höher sein als der nach dem Zeitwert berechnete. Auch der Anspruch auf Überschussbeteiligung wird im neuen Gesetz als Regelfall verankert. Erstmals erhält der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven. Die Grundsätze für die Verteilung der Überschüsse werden bestimmt. Möglich bleibt es, Verträge ohne Überschussbeteiligung abzuschließen, die bei den Lebensversicherungen bislang aber kaum praktische Bedeutung haben.

Des Weiteren wird der Versicherungsnehmer in Zukunft angemessen an den noch nicht realisierten Gewinnen der Lebensversicherungen beteiligt, soweit die schon realisierten Gewinne durch seine Beiträge erzielt worden sind. Die Versicherungsunternehmen müssen die stillen Reserven offen legen. Damit die stillen Reserven aufgedeckt werden können, sind nunmehr Kapitalanlagen an dem Zeitwert zu bewerten, auch soweit der Zeitwert über dem Anschaffungswert liegt und die Hälfte der stillen Reserven werden grundsätzlich mit in die Überschussbeteiligung einbezogen. Die andere Hälfte der Reserven verbleibt im Unternehmen, um die Wertschwankungsrisiken auszugleichen. Dieses neue Verfahren sichert dem einzelnen Versicherungsnehmer eine angemessene Beteiligung an den stillen Reserven der Lebensversicherung, wobei es gleichzeitig aber auch das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Erhaltung von stillen Reserven berücksichtigt. Die ermittelten Überschüsse, und zwar inklusive der Beteiligung an den stillen Reserven, müssen dem einzelnen Versicherungsnehmer spätestens zwei Jahre nach Ermittlung der Überschüsse gutgeschrieben werden.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetzes hat jeder Versicherungsnehmer diesen Anspruch auf Überschüsse und zwar für die Restlaufzeit seines Vertrages nach Inkrafttreten, wobei bereits erfolgte Überschussbeteiligungen für die Zeit vor dem Inkrafttreten, unberührt bleiben. Überdies ist jeder Versicherungsnehmer darüber zu unterrichten, welche Leistung durch die Lebensversicherung zu erwarten sind. Die Angaben müssen realistisch sein und dem Versicherungsnehmer deutlich machen, dass es sich nur um Prognosen und nicht um garantierte Leistungszusagen handelt. Um Missbrauchsgefahren zu verhindern, werden die Lebensversicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer eine Modellrechnung zu überlassen, in der die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung realistischer Zinssätze dargestellt wird. Eine weitere wichtige Neuerung der Versicherungen besteht darin, dass der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss grundsätzlich nur solche Umstände anzuzeigen hat, nach denen er auch schriftlich gefragt wird. Das Risiko einer Fehleinschätzung, ob ein Umstand für das versicherte Risiko erheblich ist, liegt damit nicht mehr beim Versicherungsnehmer.

Darüber hinaus muss das Versicherungsunternehmen seine Rechte aus der Verletzung der Anzeigepflicht binnen fünf Jahren geltend machen. Diese Ausschlussfrist verschafft dem Versicherungsnehmer Sicherheit darüber, dass der Lebensversicherungsvertrag mit dem vereinbarten Inhalt Bestand hat. Bedeutsam für die Versicherungsnehmer ist auch der ersatzlose Wegfall der einseitigen Klagefrist. Bislang musste der Versicherungsnehmer seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung binnen sechs Monaten geltend machen, nachdem der Versicherer die Leistung schriftlich abgelehnt hatte. Diese Sonderregelung, welche auf eine einseitige Verkürzung der Verjährungsfrist zu Lasten der Versicherungsnehmer hinaus gelaufen ist, wurde ebenfalls durch das neue Versicherungsvertragsgesetz abgeschafft. Alle Versicherungsverträge können künftig unabhängig vom Vertriebsweg und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Bisher galt das nur bei Fernabsatzverträgen. Außerdem können nach dem neuen Versicherungsrecht alle Versicherungsnehmer ihre Vertragserklärung widerrufen, also nicht nur Verbraucher sondern auch Handwerker und Freiberufler. Die Widerrufsfrist bei der Lebensversicherung beträgt dabei 30 Tage, wobei die Widerrufsfrist erst zu laufen beginnt, wenn dem Versicherungsnehmer sämtliche Vertragsbedingungen übermittelt worden sind.

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